Wieder droht eine unheilbare Tierseuche und wird überreagiert. Der Landestierschutzverband BW fordert vernünftige Konzepte, statt unsachlichen Forderungen nachzugeben. Verbandsvorsitzender Stefan Hitzler: „Tierschutz muss Priorität haben.“

Die afrikanische Schweinepest (ASP) ist auf dem Vormarsch und schon länger in osteuropäischen Ländern nachgewiesen. Inzwischen hat die Seuche bereits Polen und Tschechien erreicht – es ist wohl nur eine Frage der Zeit, dass sie auch bei uns auftaucht. Die Viruserkrankung ist für Menschen und andere Tierarten ungefährlich. Für infizierte Wild- und Hausschweine allerdings endet sie in den allermeisten Fällen innerhalb von 3-7 Tagen tödlich. Das Virus wird durch direkten Tierkontakt oder Körperflüssigkeiten von erkrankten Tieren übertragen.
Ein nachgewiesener Ausbruch der Seuche in einem landwirtschaftlichen Schweinebetrieb hierzulande hätte katastrophale Folgen: alle Tiere müssten aus seuchenrechtlichen Gründen sofort getötet werden, Sperr- und Beobachtungsgebiete würden eingerichtet und streng überwacht und nicht zuletzt könnte der Exportmarkt für Schweinefleisch massiv einbrechen. Ein Horrorszenario für Schweinehalter, weswegen der Deutsche Bauernverband aktuell lautstark die Dezimierung der Wildschweinpopulationen von bis zu 70 % einforderte.

Der Landestierschutzverband hält dies für komplett unrealistisch.
„Dann hätte man ja bei Ausbruch der Vogelgrippe auch sämtliche Wildvögel erlegen und auf ein Minimum reduzieren müssen. Die Jagd auf Wildschweine jetzt mit allen verfügbaren Methoden drastisch zu forcieren, ist vielfach tierschutzwidrig und geht am eigentlichen Problem vorbei,“ betont Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes und erklärt weiter: “für die augenscheinlich sprunghafte Ausbreitung sind weniger die Wildschweine verantwortlich als vielmehr der Faktor Mensch. Die Gefahr der Einschleppung der ASP geht augenblicklich vor allem vom Reiseverkehr aus. Mitgebrachte und infizierte Lebensmittel oder Schweineteile – u.a. auch Jagdtrophäen -, sowie kontaminierte Gebrauchsgegenstände stehen hier vorrangig unter Verdacht. Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass die hochansteckende Seuche über den grenzüberschreitenden Tierverkehr bzw. die Tiertransporter zu uns kommen könnte.“

Deshalb muss nach Auffassung des Landestierschutzverbandes vorrangig alles getan werden, dieses Einschleppungsrisiko möglichst gering zu halten. Das beginnt bei Mülltonnen mit Deckeln an Raststätten (damit Wildschweine nicht an die Essensreste kommen), geht weiter mit der Sensibilisierung von Reisenden und Wanderarbeitern über Aufklärungsbroschüren und -Plakate in verschiedenen Sprachen bis hin zu strengen Hygieneauflagen für grenzüberschreitende Tiertransportfahrzeuge. Denn das ASP-Virus kann bspw. auch über Transporter, die Schweine in Betriebe in Regionen, wo die Seuche bereits ausgebrochen ist, gefahren haben auf der Rückkehr eingeschleppt werden. Eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Fahrzeuge ist daher unverzichtbar.

Die zurzeit diskutierten Änderungen bei der Wildschweinjagd, wie „keine Schonzeit für Wildschweine mehr“ und damit auch die Aufhebung der allgemeinen Wildruhe im Wald, die Zulassung von Wildschweinfallen (der so genannter „Saufang“ oder Frischlingsfallen), die Genehmigung von Nachtsichtgeräten bei der Jagd auf Wildschweine und die Erlaubnis auch während der Aufzuchtszeit auf weibliche Tiere schießen zu dürfen, sind für den Landestierschutzverband tierschutzwidrige Methoden und somit inakzeptabel.
„Gerade gegen Winterende im März und April ist die Einhaltung der allgemeinen Wildruhe für alle Wildtiere im Wald notwendig. Die nasskalte Winterzeit, wenig Nahrung und der erhöhte Jagddruck bis teilweise noch weit in den Februar hinein hat ihnen bereits einen hohen Tribut abgefordert. Die Beunruhigung im Wald für alle Tierarten durch die Jagd auf Wildschweine durchgehend aufrecht zu erhalten und möglicherweise noch mittels Nachtsichtgeräten auch nachts zuzulassen, ist in unseren Augen klar tierschutzwidrig.“ positioniert sich Hitzler. „Ebenso lehnen wir es ab, dass die Jagd auf Wildschweine auch noch in Naturschutzgebieten intensiviert werden soll.“

Aufgrund der hohen Sicherheitsstandards der Landwirtschaftlichen Betriebe mit Schweinehaltung ist eine Übertragung der ASP direkt über Wildschweine bei uns eher unwahrscheinlich. Präventionsmaßnahmen sollten sich stattdessen in erster Linie verstärkt auf Faktoren mit hohem Einschleppungsrisiko konzentrieren, wie die Viruseinbringung durch kontaminierte Gegenstände oder Fleischerzeugnisse durch Personen und Fahrzeuge.
Denn sollte das Virus in einen schweinehaltenden Betrieb gelangen, wären die Folgen fatal.
Gemäß Tierseuchenrecht müssten sofort alle Tiere des Betriebs getötet und beseitigt werden. Ein Sperrbezirk mit bis zu 5 km Radius und ein Beobachtungsgebiet mit bis zu 10 km Umkreis würden eingerichtet und auch hier könnten die Behörden nach eigener Risikoeinschätzung schon im Verdachtsmoment eine Tötung sämtlicher Schweine anordnen. Je mehr Schweine ein Betrieb hat und je enger die Betriebe beieinander liegen, desto mehr Tiere müssten möglicherweise sterben.
Aus Tierschutzsicht ist dabei die Tötung eines ganzen Tierbestands schon „bei Verdacht“, also wenn noch kein eindeutiger labortechnischer Nachweis der Infektion vorliegt, nicht zu akzeptieren.

„Hier wird deutlich, in welche Sackgasse die konventionelle Massentierhaltung bei uns führt“ macht Hitzler die grundsätzlich problematischen Strukturen der gängigen landwirtschaftlichen Tierhaltung klar. „Statt in immer größere Tierbestände in industrieähnlicher Intensivtierhaltung zu investieren, sollte endlich ein Umdenken stattfinden und kleinere und dafür tiergerechtere Haltungen gefördert werden, wie es Tierschützer schon seit langem fordern. Eine Reduktion von Tierbeständen – sowohl auf Bestandsebene als auch auf regionaler Ebene – würde nicht zuletzt auch im Tierseuchenfall zu einem weit weniger dramatischen Ausmaß führen und das Risiko einer Verbreitung von Tierseuchenerregern verringern.“

Die augenblickliche Landwirtschaftspolitik ist nach Ansicht des Landestierschutzverbandes der falsche Weg. „Nicht nur Tierschützer und Tierfreunde würden sich wünschen, dass statt der Massentierhaltung und Überproduktion an tierischen Produkten hierzulande endlich mehr Wert auf tiergerechte Haltungssysteme und kurze Transportwege gelegt würde. Weniger Nutztiere, dafür bessere Tierhaltung rechtfertigen auch höhere Preise. Weniger Überproduktion wiederum bedeutet auch weniger Abhängigkeit von drohenden Exportverboten.“ so Hitzlers Fazit.
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Statement Afrikanische Schweinepest