Das Tierschutzgesetz soll Tiere schützen. Leider gilt das bisher nicht für rund 20 Millionen männliche Ferkel, die in Deutschland jährlich betäubungslos kastriert werden. Der Grund, warum männliche Ferkel überhaupt kastriert werden, ist der für manche Menschen unangenehme Geruch und Geschmack („Ebergeruch“), den das Fleisch von Ebern bzw. unkastrierten männlichen Mastschweinen haben kann.
Die Hoden von Ebern produzieren männliche Geschlechtshormone und geschlechtsspezifische Ebergeruchsstoffe. Diese werden über das Blut in den ganzen Körper, auch in das Muskelfleisch, verteilt. Wird das Fleisch erhitzt, kann dies zu unangenehmen Geruchs- und Geschmacksveränderungen führen. Die ersten Praxisversuche zeigen, dass der Anteil der betroffenen Tiere bei ungefähr fünf Prozent der Jungeber liegt.
Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration verschoben
Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt in Paragraph 5 vor, dass ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier nicht ohne Betäubung durchgeführt werden darf. Es lässt allerdings die Ausnahme zu, dass Ferkel bis zu ihrem siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden dürfen (Tierschutzgesetz, Paragraph 5, vierter Abschnitt „Eingriff an Tieren“). Nachdem das Tierschutzgesetz 2013 geändert wurde, war die betäubungslose Kastration nur noch bis 31.12.2018 erlaubt. Mit Mehrheit der Abgeordneten der CDU, CSU, SPD und der AfD wurde aber am 30.11.2018 im Deutschen Bundestag entschieden, die Qualen der betäubungslosen Ferkelkastration um weitere zwei Jahre zu verlängern. Dieser Beschluss ist Verrat an den Ferkeln und am Staatsziel Tierschutz – die Branche bewegt sich nicht und die Regierungskoalition verlängert daher einfach das Leid der Ferkel, weil nun die Zeit für Anpassungen im Ferkelsystem angeblich nicht mehr reicht.
Lokalanästhesie als „vierter“ Weg vom Tisch
Obwohl tierschutzgerechte und praktikable Alternativen seit Längerem zur Verfügung stehen und die Branche lange genug Zeit hatte, sich auf das Verbot einzustellen, hatte sie versucht, die Kastration unter Lokalanästhesie durchzudrücken. Immerhin konnten sie diese Lösung nicht durchsetzen. Aus Tierschutzsicht ist dieses Verfahren keine tierschutzgerechte Alternative zur Kastration ohne Betäubung. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Injektion von Lokalanästhetika einen zusätzlichen Stress- und Schmerzfaktor vor der Kastration darstellt und die Betäubung ungenügend ist, um den Kastrationsschmerz vollständig auszuschalten.
Alternativen sind verfügbar
Mit der Ebermast, der Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration) und der Kastration unter Vollnarkose und mit Schmerzmedikation gibt es drei Methoden, die bereits praxistauglich sind.
Für die Tiere wäre es das Beste, vollständig auf die Kastration zu verzichten, also unkastrierte Eber zu mästen. Eber haben zwar etwas höhere Ansprüche an Haltung und Management, die Ebermast ist aber die kostengünstigste und arbeitswirtschaftlichste Variante. Leider gibt es jedoch von Vermarktung und Lebensmitteleinzelhandel noch zu wenige Abnahmegerantien für die Landwirte.
Eine weitere Alternative, um auf die Kastration zu verzichten, ist die Impfung gegen Ebergeruch. Hierbei wird die Hormonproduktion der Eber nach dem Wirkprinzip einer Impfung unterdrückt. Die Methode wird bereits in vielen Ländern erfolgreich durchgeführt und ist mit einer zweimaligen Injektion unter die Haut im Vergleich zur Kastration eine sehr tierschonende Variante. Doch auch dieser Methode gegenüber herrscht in der deutschen Branche eine nicht nachvollziehbare Skepsis, weswegen sie bisher nur von wenigen Landwirten umgesetzt wird.
Aus Tierschutzsicht kann als Übergangslösung auch die chirurgische Kastration unter effektiver Vollnarkose und Schmerzmittelgabe eingesetzt werden. Gerade im Hinblick auf die noch bestehenden Vermarktungsschwierigkeiten bei den kastrationsfreien Alternativen ist dies eine wichtige Alternative. NEULAND-Betriebe kastrieren bereits seit 2008 alle männlichen Ferkel unter Vollnarkose mit dem Inhalationsgas Isofluran und mit begleitender Schmerzmittelgabe, welches ein effektives und tierschonendes Verfahren darstellt. Mittelfristig sollte aufgrund möglicher Nebenwirkungen und Wundheilungsstörungen jedoch komplett auf den chirurgischen Eingriff verzichtet werden.
Ausführliche Informationen über die Methoden finden Sie im Positionspapier zu aus Tierschutzsicht geeigneten Alternativen.